Tilly Norwood KI-Schauspielerin – sie altert nicht, verlangt keine Millionengagen und braucht keinen Schlaf. Die weltweit erste künstlich generierte Schauspielerin wurde auf dem Zurich Film Festival vorgestellt und versetzt Hollywood in Panik. Stars wie Emily Blunt warnen vor dem Verlust der Menschlichkeit. Doch wie wurde Tilly erschaffen und was bedeutet das für die Zukunft des Kinos?
Wer ist Tilly Norwood?
Tilly Norwood ist keine echte Person, sondern eine vollständig am Computer generierte Kunstfigur. Sie wurde vom niederländischen KI-Produktionsstudio Particle6 und dessen Tochterfirma Xicoia entwickelt. Auf Fotos posiert sie auf dem roten Teppich, lächelt mit Kaffeebecher in der Hand und wirkt verblüffend echt.
Laut Brancheninsidern sieht Tilly aus wie ein digitaler Mix aus Mila Kunis, Keira Knightley und Natalie Portman – nur 20 Jahre jünger. Sie spricht mit britischem Akzent und soll sogar eine eigene Hintergrundgeschichte und Persönlichkeit haben. Anders als frühere CGI-Charaktere in Filmen ist Tilly als eigenständige Persönlichkeit konzipiert, die wie ein echter Star vermarktet werden soll.
Auf ihrem Instagram-Account, der seit etwa fünf Monaten existiert, präsentiert sich Tilly wie jeder andere Influencer: mit Lifestyle-Fotos, Filmszenen und persönlichen Momenten. Der Unterschied: Alles ist künstlich generiert.
Tilly Norwood Steckbrief
| Kategorie | Information |
|---|---|
| Name | Tilly Norwood |
| Art | KI-generierte Schauspielerin (AI Performance Simulation) |
| Entwickler | Particle6 / Xicoia (London) |
| Schöpferin | Eline van der Velden (39) |
| Vorstellung | Zurich Film Festival 2025 |
| Akzent | Britisch |
| Erscheinungsbild | Mix aus Mila Kunis, Keira Knightley, Natalie Portman |
| Ziel | Nächste Scarlett Johansson werden |
| Erster Auftritt | KI-generierter Video-Sketch (Juli 2025) |
Die Frau hinter der KI: Eline van der Velden
Die Schöpferin von Tilly Norwood ist die 39-jährige Niederländerin Eline van der Velden. Sie ist Physikerin, ehemalige Schauspielerin und Komikerin sowie heute CEO des KI-Produktionsstudios Particle6 in London. Unter dessen Dach betreibt sie das Studio Xicoia, das hyperreale digitale Stars erschaffen soll.
Van der Veldens Karriere ist ungewöhnlich vielseitig: Sie erfand zahlreiche Online-Comedy-Shows und prankte für BBC 3 Passanten in England. Ihr wissenschaftlicher Hintergrund in Physik kombiniert mit ihrer Erfahrung vor der Kamera macht sie zur idealen Brückenbauerin zwischen Technologie und Entertainment.
Ihr ehrgeiziges Ziel formulierte van der Velden bereits im Sommer gegenüber Broadcast International: „Wir wollen, dass Tilly die nächste Scarlett Johansson oder Natalie Portman wird.“ Das Publikum interessiere sich für die Geschichte eines Films, nicht dafür, ob der Star noch lebe.
Die Technologie hinter Tilly Norwood
Xicoia bezeichnet sich selbst als „KI-Talentstudio“, das hyperreale digitale Stars erschaffen, managen und monetarisieren will. Die Technologie basiert auf fortschrittlichen KI-Modellen, die Bilder und Videos in nie dagewesener Qualität generieren können.
Laut Unternehmensangaben sollen diese digitalen Persönlichkeiten nicht nur Avatare sein, sondern private Hintergrundgeschichten bieten und in Echtzeit mit ihrem Publikum interagieren können. Die Entwickler betonen, dass monatelange Feinarbeit in Tillys Erschaffung geflossen sei.
Im Juli 2025 stellte van der Velden einen ersten komplett KI-generierten Video-Sketch vor, in dem 16 KI-generierte Charaktere auftraten – darunter auch Tilly als Hauptfigur einer fiktiven Sitcom. Die Qualität der Bilder und Bewegungen überraschte selbst Branchenexperten.
Die Präsentation auf dem Zurich Film Festival
Am Industrietreffen des Zurich Film Festivals im Dolder Grand wurde Tilly Norwood offiziell der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Unter den Gästen befanden sich Stars wie Colin Farrell, Russell Crowe und Benedict Cumberbatch – doch die größten Schlagzeilen gehörten der digitalen Jungschauspielerin.
Die Präsentation sorgte für ein sofortiges und lautes Echo in der Filmbranche. Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich die Nachricht viral in den sozialen Medien und löste heftige Debatten aus. Das Festival, das sich gerne als „Hollywood an der Limmat“ bezeichnet, hatte unbeabsichtigt einen handfesten Skandal produziert.
Hollywood reagiert entsetzt
Die Präsentation auf dem Zurich Film Festival löste eine Schockwelle in der Filmbranche aus. Als Schauspielerin Emily Blunt ein Bild von Tilly Norwood gezeigt wurde, rief sie aus: „Das ist eine KI? Meine Güte, wir sind verloren. Das ist wirklich sehr beängstigend. Bitte hören Sie auf, uns unsere Menschlichkeit zu nehmen.“
Blunt hinterfragte zudem die Notwendigkeit einer KI-Scarlett-Johansson, wenn es doch die echte Johansson gebe. Ihre emotionale Reaktion wurde in einem Interview mit dem US-Magazin Variety festgehalten und verbreitete sich schnell in den Medien.
Auch Oscar-Preisträgerin Whoopi Goldberg warnte davor, dass wir uns in der digitalen Welt verlieren könnten. Gleichzeitig glaubt die US-Schauspielerin, dass eine KI nie einen Menschen vollständig ersetzen kann – das Synthetische werde immer durchschimmern.
Die Emmy-nominierte Schauspielerin Natasha Lyonne bezeichnete die Entwicklung als „komplett gestört und fehlgeleitet“ und forderte einen Boykott aller Beteiligten: „Alle, die dabei mitmachen, sollten boykottiert werden.“
Reaktionen aus Hollywood im Überblick
| Person | Beruf | Reaktion |
|---|---|---|
| Emily Blunt | Schauspielerin (Oppenheimer) | „Wir sind verloren. Das ist sehr beängstigend.“ |
| Whoopi Goldberg | Oscar-Preisträgerin | Warnung vor dem Verlust in der digitalen Welt |
| Natasha Lyonne | Emmy-nominiert (Russian Doll) | „Komplett gestört und fehlgeleitet“ |
| Melissa Barrera | Schauspielerin (Scream) | „Das ist so eklig“ |
| Kiersey Clemons | Schauspielerin (The Flash) | Klare Ablehnung bereits in Zürich |
| James Cameron | Regisseur (Avatar) | Warnung vor Ersetzung echter Künstler |
SAG-AFTRA erhebt schwere Vorwürfe
Die US-Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA meldete sich umgehend zu Wort und erhob schwere Vorwürfe: „Tilly Norwood ist keine Schauspielerin, sondern eine Figur, die von einem Computerprogramm generiert wurde – trainiert mit den Werken unzähliger professioneller Darstellerinnen und Darsteller, ohne deren Zustimmung oder Vergütung.“
Die Gewerkschaft wehrt sich entschieden dagegen, dass künstliche Darsteller die Menschen ersetzen. Diese Fragen nach KI-Nutzungsrechten waren bereits einer der Hauptgründe für den Hollywood-Streik 2023, der die gesamte Filmindustrie monatelang lahmlegte.
Auch bei anderen Tech-Themen wie der Sammelklage gegen Meta geht es um ähnliche Rechtsfragen bezüglich der Nutzung persönlicher Daten und kreativer Werke ohne Einwilligung.
Der Hollywood-Streik 2023 als Vorgeschichte
Als 2023 die Streiks der Drehbuchautoren und Schauspieler die Filmindustrie in Hollywood zum Erliegen brachten, ging es vor allem um eines: klare Richtlinien und Beschränkungen zur Nutzung von KI im kreativen Prozess des Filmemachens.
Die Streiks wurden beigelegt und erste Einigungen erzielt, doch der Protest gegen den KI-Einsatz ist noch lange nicht erledigt. Tilly Norwood zeigt, dass die Befürchtungen der Streikenden berechtigt waren – die Technologie entwickelt sich schneller, als Regulierungen folgen können.
Agenturen zeigen Interesse – Branche gespalten
Trotz aller Kritik sollen bereits mehrere Talentagenturen Interesse angemeldet haben, die digitale Schauspielerin unter Vertrag zu nehmen. Das sorgt für zusätzliche Empörung in der Branche und zeigt die Spaltung zwischen wirtschaftlichen Interessen und künstlerischen Werten.
Schauspielerin Melissa Barrera kann nicht fassen, dass Agenturen KI-Darstellerinnen vertreten wollen: „Ich hoffe, alle Schauspielerinnen und Schauspieler feuern ihre Agenten, die KI-Darstellende vertreten. Das ist so eklig.“ Sie unterstellt den Agenturen, aus Geldgier auf digitale Schöpfungen zu setzen, die alles mit sich machen lassen.
Auf der anderen Seite sehen Tech-Unternehmen und KI-Entwickler in Tilly nicht das Ende, sondern den Beginn einer neuen Ära kreativer Möglichkeiten: maßgeschneiderte Darsteller für Nischenmärkte, interaktive Erzählformate und eine Demokratisierung der Filmproduktion.
Die Vorteile einer KI-Schauspielerin
Aus Sicht der Entwickler bietet eine KI-Schauspielerin wie Tilly Norwood einige Vorteile gegenüber echten Stars:
Sie altert nicht, verlangt keine Gagen in zweistelliger Millionenhöhe, braucht keinen Schlaf und ist immer verfügbar. Zudem kann sie in Echtzeit mit ihrem Publikum interagieren und für verschiedene Projekte gleichzeitig eingesetzt werden. Anders als echte Stars gibt es keine Terminprobleme, keine Skandale und keine unvorhersehbaren Verhaltensweisen.
Für kleinere Produktionsfirmen könnte dies den Zugang zu „Star-Power“ demokratisieren – sie müssten nicht mehr Millionen für bekannte Gesichter ausgeben, sondern könnten auf digitale Darsteller zurückgreifen.
Kritik: Frauen werden zuerst ersetzt
Besonders scharf ist die Kritik auf Social Media. Viele Nutzer finden es bezeichnend, dass die erste KI-Schöpfung weiblich programmiert wurde. „Ich finde es sehr bezeichnend, dass die erste KI-Schöpfung weiblich programmiert ist. Natürlich werden Frauen als Erste ersetzt“, schreibt ein Reddit-Nutzer und löst damit eine breite Diskussion aus.
Die Debatte erinnert an aktuelle Diskussionen rund um Tech-Regulierung – etwa das Social Media Verbot in Australien, das ebenfalls den Umgang mit digitalen Technologien neu regeln will.
Das Europäische Polizeiamt Europol hatte erst im Februar 2025 Menschen verhaftet, die mittels KI Material erstellten, das sexuellen Missbrauch an Kindern zeigte. Die Behörden betonten, dass es noch an nationalen Rechtsvorschriften fehle, um solche Straftaten zu bekämpfen.
Stellungnahme von Eline van der Velden
Die Schöpferin reagierte auf den Shitstorm mit einem ausführlichen Statement auf Instagram: „An diejenigen, die ihre Wut über die Erschaffung unserer KI-Figur Tilly Norwood zum Ausdruck gebracht haben: Sie ist kein Ersatz für einen Menschen, sondern ein kreatives Werk – ein Kunstwerk.“
KI sei lediglich ein neues Werkzeug für Film und Fernsehen. „So wie Animation, Puppenspiel oder CGI neue Möglichkeiten eröffnet haben, ohne der Schauspielerei etwas wegzunehmen, bietet KI eine weitere Möglichkeit, Geschichten zu erfinden und zu entwickeln.“
Van der Velden betont, dass KI-Charaktere für sich selbst bewertet werden sollten, nicht im direkten Vergleich zu menschlichen Schauspielern: „Jede Kunstform hat ihren Platz und kann für das geschätzt werden, was sie auf einzigartige Weise beiträgt.“ Die Kommentarfunktion unter ihrem Statement hat sie allerdings ausgeschaltet.
Rechtliche Fragen und der AI Act der EU
Die virale Verbreitung von KI-generierten Inhalten wirft erhebliche rechtliche Fragen auf. Die EU versucht mit dem AI Act durch Kennzeichnungspflichten für Transparenz zu sorgen, doch die entscheidende Schlacht wird nicht in den Gesetzestexten, sondern in den Köpfen der Rezipienten geschlagen.
Es geht um die Fähigkeit zum kritischen Denken und die Bereitschaft, die Herkunft von Informationen zu hinterfragen – eine Kompetenz, die in einer von KI-generierten Inhalten gefluteten Welt überlebenswichtig wird.
Die Frage, ob und wie KI-Schauspieler gekennzeichnet werden müssen, ist noch ungeklärt. Ebenso offen ist, welche Rechte die echten Schauspieler haben, deren Performances zum Training der KI verwendet wurden.
Digitale Influencer: Ein wachsender Trend
Tilly Norwood ist kein Einzelfall. In den sozialen Medien fluten künstliche Influencer bereits die Kanäle. Virtuelle Models wie Lil Miquela haben Millionen Follower und arbeiten mit großen Marken zusammen. Jetzt erhält dieser Trend auch Einzug in die Filmbranche.
Der Unterschied zu bisherigen virtuellen Influencern: Tilly soll nicht nur für Social Media, sondern für echte Film- und Serienproduktionen eingesetzt werden. Sie soll wie ein echter Star gebucht werden können – mit eigener Agentur und Vertrag.
Die Zukunft des Kinos: Revolution oder Untergang?
Mit der Vorstellung von Tilly Norwood hat Zürich Hollywood aufgeschreckt. Ob sie tatsächlich den Sprung von der Festivalbühne auf die große Leinwand schafft, bleibt offen. Doch der Startschuss für eine hochumstrittene Ära ist gefallen.
Experten sind sich einig: KI-Schauspieler werden menschliche Darsteller nicht vollständig verdrängen. Aber sie werden den Beruf und die Kunst des Filmemachens unwiderruflich verändern. Vielleicht wird die Fähigkeit, mit KI-Werkzeugen virtuos umzugehen, zu einer neuen Kernkompetenz für Kreative.
Gleichzeitig könnte die rein menschliche, unperfekte und authentische Darbietung zu einem Luxusgut werden, das gerade wegen seiner Seltenheit an Wert gewinnt. Die entscheidende Frage ist nicht, ob wir diese Werkzeuge nutzen, sondern wofür.
Internationale Perspektiven
Die Reaktionen auf Tilly Norwood zeigen eine zutiefst gespaltene Medienwelt. Auf der einen Seite steht die traditionelle Filmindustrie, deren Vertreter eine Mischung aus Angst und Verachtung zeigen. Hier fürchtet man den Verlust von Arbeitsplätzen, die Aushöhlung künstlerischer Authentizität und den Kontrollverlust über ein seit Jahrzehnten etabliertes System.
Auf der anderen Seite positionieren sich Tech-Unternehmen mit positiver Resonanz. Sie sehen in Tilly den Beginn einer neuen Ära – mit Möglichkeiten, die nicht länger von astronomischen Budgets und dem Zugang zu A-List-Stars abhängen.
In Deutschland zeigt sich die Bundesschülerkonferenz skeptisch gegenüber technologischen Verboten generell. Bei Themen wie dem australischen Social-Media-Verbot betont sie, dass Bildung wichtiger sei als Verbote.











